Keratokonjunktivitis sicca (KCS)
Der Tränenfilm bedeckt die Augenoberfläche und hält sie feucht und gesund. Der sogenannte präcorneale Tränenfilm überzieht die Hornhaut und besteht aus drei Schichten (Lipidschicht, wässrige Schicht, Muzinschicht). Tritt ein Defizit bei nur einer dieser drei Schichten auf, wird die Hornhaut nicht mehr adäquat befeuchtet und ernährt und es kommt zur Bindehaut- und Hornhautentzündung, der sog. Keratokonjunktivitis sicca. Man unterscheidet ein Defizit bei der wässrigen Komponente (quantitative KCS) von einem Defizit in der Fett- und Schleimschicht (qualitative KCS). Die Keratokonjunktivitis sicca wird häufig bei Hunden, seltener bei Katzen diagnostiziert.
Quantitative Keratokonjunktivitis sicca („Trockenes Auge“)
Beschreibung
Die wässrige Tränenflüssigkeit wird von den Tränendrüsen in der Augenhöhle und an der Nickhaut produziert. Ein Mangel führt zum klassischen „trockenen Auge“. Überwiegend sind beide Augen, ggf. in unterschiedlichen Schweregraden betroffen.
Ursachen
Am häufigsten tritt die quantitative KCS in Folge einer Autoimmunreaktion auf. Es leiden vor allem Hunderassen wie Mops, Englische Bulldogge, Französische Bulldogge, Shih Tzu, Pekingese, Cavalier King Charles Spaniel, Yorkshire Terrier und Pudel unter dieser Form. Allerdings können auch andere Rassen und Mischlinge erkranken. Weitere Ursachen sind neurogen (Störung der Nervenversorgung der Tränendrüse), endokrinogen (z.B. bei Diabetes mellitus, Morbus Cushing oder Schilddrüsenunterfunktion), infektiös (Staupe und Leishmaniose bei Hunden, Felines Herpesvirus bei Katzen), toxisch / medikamenten-induziert, traumatisch oder sehr selten angeboren (West Highland White Terrier und Miniaturrassen, wie Yorkshire Terrier und Chihuahua).
Symptome
Da trockene Augen jucken und brennen, können die Patienten Augenreiben und Lidkneifen zeigen. Betroffene Augen weisen je nach Ausmaß der Trockenheit schleimigen bis eitrigen, teils sehr zähen Augenausfluss, Rötung der Bindehaut, Entzündungen der Hornhaut mit Einsprossung von Blutgefäßen, Trübungen und Pigmentierung auf. Im Falle einer neurogenen KCS ist in der Regel nur ein Auge betroffen und es fällt ein trockenes, verkrustetes Nasenloch auf der gleichen Seite auf (Nasendrüsen werden durch gleichen Nerv innerviert).
Diagnose
Die quantitative KCS wird mittels Schirmer Tränentest diagnostiziert. Hierbei wird ein kleiner Papierstreifen in das Unterlid eingeklemmt und die Menge der aufsteigenden Tränenflüssigkeit anhand einer Skala bestimmt (mm/min). Ein zu niedriger Wert weist auf die Diagnose hin. Mit Hilfe von Spaltlampenuntersuchung und Fluoreszeintest wird zudem der Zustand der Hornhaut beurteilt.
Behandlung
Die Therapie hat drei Ziele: Wiederherstellung der körpereigenen Tränenproduktion, Aufrechterhalten der Befeuchtung des Auges und Regeneration sowie Aufklaren der entzündeten Hornhaut.
Dies gelingt in der Regel durch die Gabe von einerseits Tränenersatz und andererseits von spezifischen Medikamenten, welche die jeweilige Ursache therapieren. Im Falle der autoimmunmediierten KCS werden immunmodulierende Präparate, wie Ciclosporin A oder Tacrolimus angewandt, welche die Tränenproduktion anregen und gleichzeitig Entzündungen der Hornhaut hemmen. Bei einer neurogenen KCS können oral Medikamente gegeben werden, welche die Nervenfunktion an der Drüse übernehmen.
Auch wenn der Augenausfluss häufig eitrig wirkt, besteht nur sehr selten die Notwendigkeit, Antibiotika zu verabreichen. Es handelt sich überwiegend um eine Anreicherung von Schleim und Zellen und nur in seltenen Fällen um eine bakterielle Sekundärinfektion. Um diese jedoch zu verhindern und Bakterien den Nährboden zu entziehen, ist eine regelmäßige Reinigung und Spülung des Auges – insbesondere vor der Gabe von Augenmedikamenten – essentiell. In den meisten Fällen muss die Therapie der KCS lebenslang durchgeführt werden, da die Grundursache nicht heilbar ist. Wichtig zu wissen ist zudem, dass sich der positive Effekt der Behandlung erst meist im Laufe einiger Wochen zeigt – als Besitzer sollte man also nicht eine Besserung innerhalb weniger Tage erwarten. Spricht das Auge allerdings über einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten nicht auf die Medikamente an oder ist eine tägliche, regelmäßige Tropfengabe von Seiten der Besitzer unmöglich, kann eine Operation in Erwägung gezogen werden. Durch Verlegung des Speichelganges wird das Auge durch Speichelflüssigkeit feucht gehalten. Dieser Eingriff ist ein Kompromiss (Speichelfluss vor allem beim Fressen, andere chemische Zusammensetzung des Speichels führt zu Kristalleinlagerungen in die Hornhaut) und nur als letzte Option in Betracht zu ziehen.
Prognose
Der initiale Wert des Schirmer Tränentests kann ein prognostischer Faktor sein (je niedriger, desto vorsichtiger die Prognose, dass das Auge gut auf die Therapie anspricht). Zusätzlich wirken sich die Ursache der KCS, die Dauer der Erkrankung bis zur Diagnosestellung sowie die Kontinuität und Konsequenz der Therapie von Seiten der Besitzer auf die langfristige Prognose aus.
Qualitative Keratokonjunktivitis sicca
Beschreibung
Die Fettschicht des Tränenfilms wird durch die sog. Meibomschen Drüsen im Lidrand produziert, die Muzin- oder Schleimschicht von sog. Becherzellen in der Bindehaut. Diese Komponenten sind essentiell für die Stabilität und die Haftung des Tränenfilms auf der Hornhaut. Ist ihre Produktion gestört, verdunstet der wässrige Tränenfilm zu schnell (Lipidmangel) bzw. haftet nicht lange genug an der Hornhaut (Muzinmangel), um sie adäquat zu befeuchten und zu ernähren.
Ursachen
Ein Defizit bei der Lipidschicht wird bei Hunden mit chronischer Entzündung der Lider und der Meibomschen Drüsen (Blepharitis, Meibomitis) oder in Folge chemischer oder umfangreicher mechanischer Schäden an den Lidern und somit den Meibomschen Drüsen beobachtet. Chronische Bindehautentzündungen, z.B. in Folge von Infektionen oder immunmediierten Erkrankungen, führen zu einer Reduktion der Becherzellen und somit einem Defizit in der Muzinschicht.
Symptome
Neben den Symptomen der ursächlichen Erkrankungen (chronische Entzündungen der Lider oder Bindehaut) werden ähnliche Befunde, wie bei der quantitativen KCS festgestellt: Lidkneifen, Augenreiben, verschiedene Grade der Hornhautentzündung und -trübung. Während bei Lipidmangel – wie bei der quantitativen KCS - eher schleimiger Ausfluss auftritt, besteht bei einem Muzinmangel typischerweise übermäßiger wässriger Tränenfluss, da der Tränenfilm nicht an der Hornhaut haften kann.
Diagnose
Ihr/e Tieraugenspezialist/in beurteilt mittels Schirmer Tränentest die Menge an Tränenflüssigkeit und nach Eintropfen von Fluoreszein-Farbstoff die Stabilität des Tränenfilms (Tränenaufrisszeit). Eine Untersuchung mittels Spaltlampe ist wichtig, um Erkrankungen der Lider und Bindehaut zu erkennen, sowie den Zustand der Hornhaut zu beurteilen.
Behandlung: Die Therapie ähnelt der der quantitativen KCS und muss ebenfalls häufig lebenslang durchgeführt werden. Besteht ein Lipid-Mangel, werden entsprechende fetthaltige Salben mit Vaseline, Lanolin oder Paraffin verabreicht. Bei einer Muzin-Defizienz wird die Gabe von Hyaluronsäure-haltigem Tränenersatz sowie Ciclosporin A empfohlen. Zusätzlich muss immer die jeweilige Grundursache therapiert werden.
Prognose
Auch hier ist die Prognose für die Augen abhängig von der Ursache für die KCS und vor allem von der Kontinuität der Therapie.
Zusammenfassung
Die Keratokonjunktivitis sicca ist eine weitverbreitete Augenerkrankung, vor allem bei Hunden. Sie ist Folge eines Defizits in einer oder mehreren Komponenten des Tränenfilms und geht mit einer chronischen Trockenheit, Bindehaut- und Hornhautentzündung einher. Um die Krankheit in den Griff zu bekommen und das Auge vor Schäden und Schmerzen zu bewahren, ist in der Regel eine lebenslange, tägliche und konsequente Therapie nötig.